Einmal Festivalnostalgie

Es war schon ein Trost, das gebe ich gerne zu, dass mein Lieblingssommerfest, wenn nicht wegen den Olympischen Spielen und/oder Corona, letztes Wochenende durch den anhaltenden Regen der längsten und dunkelsten Regenzeit seit 2009 bzw. 1891 vermutlich sowieso ausgefallen wäre. Allerdings wird es dieses Jahr natürlich nicht beim Kamimizo Matsuri bleiben, und so bietet der Sommer eigentlich derzeit nichts – keine Festivals, keine Feuerwerke – was ihn sonst etwas erträglicher macht. Und dabei freue ich mich doch jedes Jahr vor allem so unglaublich auf das Matsuri-Essen:

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Frittierte und gesalzene Kartoffeln und yakitori (gebratenes Hühnerfleisch in Soße), okonomiyaki (gerne als japanischer Pfannkuchen bezeichnet, der mit Fleisch, Gemüse und eigentlich allem möglichen anderen gefüllt werden kann), yakisoba (gebratene Nudel) und mochi (Reis“kuchen“) …

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19748880373_331cba971a_b… fast schon tiefgekühltes Obst oder Gemüse – neben Ananas sind auch Wassermelonen und Gurke beliebt und richtig erfrischend im japanischen Sommer – taiyaki (mit süßem Bohnenmus gefüllte Waffel in Fischform) und kakigōri (mit Sirup übergossenes, geraspeltes Eis) …

 

 

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43933011905_25e4fc0521_b … und vor allem Schokobananen. Hach, ich LIEBE Schokobananen so sehr. Eines schönen Masturis verschaffte mir ein Pasch mal FÜNF zum Preis von einer (die vierte versteckt sich auf dem Bild hinter der pinken und die fünfte hielt Kei in der Hand XD). Bestes Matsuri Ever!

 

29907174807_7268ae46d7_bHach, und so ein freigekühltes Bier ist in der Hitze eines japanischen Sommerfestivals auch noch mal was anderes. Und jetzt habe ich mir selbst Hunger auf Matsuri-Essen gemacht. Tja, muss ich es mir dieses Jahr wohl selbst zu Hause machen. Und nächstes Jahr dann hoffentlich einfach doppelt so viele Sommerfeste mitnehmen 😉

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Kein Ende in Sicht

Wir befinden uns im Juli, anscheinend noch mitten in der dieses Jahr recht windigen Regenzeit, und trotzdem würden jetzt eigentlich die ersten Sommerfestivals stattfinden. Nur hat „eigentlich“ im Jahr 2020 so gar keine Bedeutung, und so wurden wegen Corona alle Sommerfeste und Feuerwerke, die wir für dieses Jahr auf dem Schirm hatten, vorsorglich abgesagt. Natürlich verstehe ich es, aber ich hatte mich doch zu sehr auf das Matsuri-Getümmel gefreut, das einem den Sommer immer etwas erträglicher gemacht hat.

Generell gibt es dieser Tage selten gute Nachrichten. Tōkyō befindet sich mit 200 bis 300 Neuansteckungen pro Tag vermutlich in der 2. Welle der Corona-Pandemie, auch wenn die Regierung es noch heftigst leugnet. In Japan lebende Ausländer dürfen immer noch – nach nunmehr 4 MONATEN – nicht wieder ausreisen, ohne dass ihnen in den meisten Fällen die Wiedereinreise verweigert wird. Die deutsche Botschaft macht auch wenig Hoffnung, dass sie das in nächster Zeit ändert. Und trotzdem zieht die Regierung ab heute ihre GoTo-Kampagne, mit der sie die Reiseindustrie in Japan wieder aufpäppeln wollte, durch, hat aber Tōkyō sowohl als Abfahrts- als auch als Anfahrtsziel von der Liste genommen, und nun hageln die Stornierungen. Der Unterschied zwischen bis zu 50% Ersparnis auf eine Reise und nichts ist halt doch gewichtiger, als die Regierung angenommen hat. Womit man sich aber eigentlich auch nur noch fragen kann: Was treibt die Regierung hier eigentlich?! Das ist nach den Abe-Masken schon die zweite wirklich fragwürdige Corona-Maßnahme, die viel Steuergelder kostet und von vorherein aus guten Gründen scharf kritisiert wurde. Aber stur wie ein Esel sein, das können die Politiker hier.

Morgen gehen zudem die „Olympischen Ferien“ los – vier Tage frei durch die Verlegung von einigen Feiertagen in den Juli, was gewährleisten sollte, dass die Leute Zeit haben, sich die Olypmischen Spiele anzugucken. Ha Ha. Den Leuten in Tōkyō legt man hingegen wieder nahe, sich am besten die vier Tage lang zu Hause zu verbarrikadieren. Nach 4 Monaten ist die Begeisterung darüber natürlich denkbar gering, aber vor allem sehe ich immer mehr verständlichen Trotz von Leuten, die sich die ganze Woche in volle Bahnen werfen müssen, um dann in ihrem Großraumbüro zu arbeiten und damit ständig Gefahr laufen, sich anzustecken, nur um dann in ihrer Freizeit gesagt zu bekommen, sich doch bitte zurückzuhalten.

Ich weiß nicht mal, wie ich diesen Post zuende bringen soll. Herr, lass Hirn regnen. Oder Steine. Solange du die Politiker hier triffst.

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Regenzeit und Home Office

Zwei Dinge, die sich so unglaublich gut miteinander vereinbaren lassen. Wer hätte gedacht, dass selbst die Regenzeit so viel angenehmer ist, wenn man nicht jeden Tag für die Arbeit das Haus verlassen muss? Ich! Ich habe das gedacht! Immer schon! Aber gut, nun hat es ja „nur“ einen tödlichen Virus gebraucht, bis wir es auch endlich mal ausprobieren durften. Während nun also draußen der Regen vom Wind durch die Straßen gepeitscht wird, sitze ich gemütlich auf meinem Bürostuhl und lausche dem Prasseln an den Fensterscheiben, der mein Getippe für die Arbeit schöner untermalt als es jedes Youtube-Entspannungsvideo nur könnte. So lässt es sich aushalten. Home Office darf bitte niemals wieder aufhören.

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Abes Zaubermasken und Tōkyō nach dem Notstand

EY7UCArU8AALkRJAm 25.05 – fast eine Woche früher als zuerst angekündigt – wurde in Japan auch für die letzten Präfekturen inklusive Tōkyō der Notstand aufgehoben. Pünktlich einen Tag später kam die von Ministerpräsident Abe für alle Haushalte versprochenen zwei Stoffmasken bei uns an. Wir hatten ja schon gar nicht mehr dran geglaubt. Und weil wir sie nach so langer Zeit auch nicht mehr wirklich brauchen – inzwischen gibt es in den Läden wieder Masken zu kaufen und ich habe auch fleißig selbst welche genäht – haben wir sie an eine Stiftung gespendet, die die Masken an bedürftige Kinder weitergibt. Da sich viele hier beschwert haben, dass die Abe-Masken viel zu klein für das Durchschnittsgesicht seien, dachten wir, mit Kindern kann man dann nichts falsch machen 😉

Die Masken kamen mit einem Hinweis darauf, die sogenannten 3密 sanmitsu zu vermeiden: schlecht belüftete Orte mit vielen Leuten und wenig Möglichkeit, Abstand zu halten. Da die meisten Firmen aber die SEKUNDE, die der Notstand aufgehoben wurde, ihre Angestellten aus dem Home Office zurück ins Büro beordert haben, bin ich mir nicht ganz so sicher, wie das klappt. Auch sonst scheint alles beim Alten zu sein – Spielplätze und Parks haben wieder genauso geöffnet wie Shoppingmalls und Nachtclubs – man hält jetzt eben im Supermarkt an der Kasse zusätzlich einen Meter Abstand. Aber oft auch nur dort, für mehr sind die meisten Supermärkte hier einfach zu klein. Auch scheint es mir keine wirklich einheitlichen Vorschriften zu geben. In einigen Shoppingcentren wird am Eingang Fieber gemessen, einige Restaurants reduzieren ihre Tischzahl, und einige Restaurants hängen Plastikvorhänge zwischen den Tischen auf, aber bei weitem nicht alle. In einigen Restaurants und Läden und Co. sieht es aus wie vor der Pandemie.

Kei und ich dürfen zum Glück vorerst weiterhin Home Office machen. Da ich mich derzeit in meinem 4 Wänden immer noch am sichersten fühle, bin ich wirklich sehr dankbar dafür. Ein wenig mit Sorge beobachtete ich die wieder ansteigenden Infektionszahlen in der Hauptstadt. Möge uns eine 2. Welle erspart bleiben, aber vielleicht etwas realistischer: möge die japanische Regierung im Falle einer 2. Welle bitte weniger rumeiern und mal mehr Nägel mit Köpfen machen. Ich will irgendwann schon mal wieder das Land verlassen dürfen ohne befürchten zu müssen nicht zurückkommen zu dürfen O_o

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Die Woche des Sichzusammenreißens

Wir befinden uns mitten in der Golden Week – eine Aneinanderreihung von Feiertagen, die in Kombi mit dem hoffentlich nahtlos vorausgehenden oder sich anschließendem Wochenende für dieses Land sonst ungewohnt viel Urlaub bedeuten. Und den verbringt man eigentlich mit Reisen. Also das ganze Land. Alle. Auf einmal. Entsprechend früh muss man daher eben auch seinen Urlaub – egal ob In- oder Ausland – buchen, und nicht wenige Urlaubsregionen in Japan nehmen in der Golden Week 90% ihres Jahresumsatzes ein. Nur dieses Jahr ist alles anders.

Der Corona-Virus hat Japan immer noch fest im Griff, und obwohl die Regierung bisher weiter nur ganz viele Empfehlungen ausspricht, aber keine richtigen Verbote erlassen mag, scheinen sich VIELE – weiß Gott nicht alle – an die Bitte der Governeure ihrer Präfekturen zu halten, haben ihren lange geplanten Urlaub gecancelt und sitzen nun brav zu Hause. Wir auch. Eigentlich hatten wir ja vorgehabt, uns in Nagano wieder einmal verspätetes Kirschblütenfeeling zu geben, aber gut. Nächstes Jahr dann eben.

Einigen verlangt diese Golden Week damit nun ziemliche Willensstärke ab – das Wetter war die letzten Tage auch nicht zu grottig – und so wurde sie online einfach mal schnell in die „gaman week“ 我慢ウィーク umbenannt – die „Woche des Sichzusammenreißens“ (ein Spiel mit dem Akronym „GW“, mit dem die Golden Week abgekürzt wird). Kei und ich müssen allerdings gar nicht so viel gaman machen, wie man vielleicht glaubt. Klar wären wir unglaublich gerne nach Nagano gefahren, aber als zertifizierter Stubenhocker habe ich mich mein ganzes LEBEN auf diese Pandemie vorbereitet und genieße es umgekehrt, den ganzen Tag zu Hause sitzen zu dürfen ohne eine Ausrede dafür zu brauchen 😛 Jetzt mal im Ernst: Ich will mich nicht beschweren, jetzt wo Japan die Pandemie ENDLICH ernst nimmt. Nachdem ich meinen Urlaub in Deutschland nach zwei Tagen abbrechen und wieder zurückfliegen musste, hatte ich eine Weile hart damit zu kämpfen, wie unglaublich blauäugig Japan seinen Vorsprung durch die frühen Maßnahmen Anfang März verspielte, einfach nur weil niemand der böse, böse Politiker sein will, der die Verbote ausspricht. Nicht, dass es nicht jetzt auch noch ordentlich Verbesserungspotential geben würde, aber da meine Erwartungen so niedrig waren, waren sie schnell übererfüllt 😛

Und was macht man so den ganzen Tag zu Hause? Endlich all die Videospiele spielen, die man immer spielen wollte, „wenn man endlich Zeit hat“. Durch seine Netflix-Liste gehen. Endlich mal wieder Zeit zum Kochen haben. Bücher lesen. So viele Bücher. Oh, und Masken selbst nähen. Denn die gibt es immer noch nicht einfach so zu kaufen, aber auf der Straße und besonders im Supermarkt wird man quasi totgestarrt, wenn man keine trägt. Wann wohl endlich Abes magische Wundermasken bei uns eintreffen? Jupp, sie sind immer noch nicht hier. Letzte Woche habe ich irgendwo gelesen, dass nicht einmal 10% (nagelt mich nicht drauf fest, aber es war eine erschreckend kleine Zahl) der Bevölkerung ihre Masken bisher erhalten haben. Mitten in der Pandemie. Das Ganze ist so ein Flopp, ich hoffe, dass Abe diese Masken für den Rest seiner Karriere verfolgen!

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Japan macht die Schotten dicht

Japan war eines der ersten Länder, das auf den sich auch außerhalb Chinas immer weiter ausbreitenden Corona-Virus mit Maßnahmen wie Schulschließungen reagierte, als diese dem Rest der Welt noch drastisch schienen. Dann lehnte sich Japan in der Überzeugung, alles nötige getan zu haben, für Wochen zurück und tat nichts weiter. Gut, nachdem die Kritik aus dem Ausland immer lauter wurde und Kanada und China letztendlich drohten, keine Athleten zu schicken, verschob man endlich die Olympischen Spiele ins nächste Jahr. Aber ansonsten ließ man alles erst einmal weiterplätschern. Wer wenig testet, sieht sich so schnell auch nicht mit explodierenden Zahlen konfrontiert, und so hatte man lange im Ausland anscheinend auch den Eindruck, Japan würde das ganze gut im Griff haben.

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Pendeln zur Arbeit nach dem „soft lockdown“ letztes Wochenende

Nun sind wir mit den Zahlen also im vierstelligen Bereich und die Kurve wird immer steiler. Vielleicht die Rechnung für das eine Wochenende mit wunderschönem Wetter, das viele genutzt haben, um Kirschblütenpartys zu feiern. Vielleicht kommt diese Rechnung aber auch erst noch. Doch bisher sind die einzigen Maßnahmen, die Japan zusätzlich zu den Schulschließungen ergriffen hat, die Bitte, am Wochenende und nach Arbeit zu Hause zu bleiben, und Orte wie Karaoke-Bars und Clubs zu vermeiden. Wenn man sich dann am Montag wieder in das Pendlerchaos werfen muss, fragt man sich natürlich schnell, was diese „soft lockdowns“ am Wochenende bitte bringen sollen. Dieses Foto ist zudem AUSSERHALB der Rushhour um 9:30 entstanden.

Mit den immer weiter steigenden Zahlen – und die muss man auch erst mal haben, wo Japan kaum testet*, man stelle sich also die Dunkelziffer vor – gerät die Regierung immer mehr unter Druck, aber keine Sorge, Abe hat die Lösung in zwei Masken und Xenophobie gefunden! Soll heißen:

*Japan hat seit Februar GESAMT so viel getestet wie Südkorea derzeit JEDEN TAG testet.

Die Regierung plant, jedem Haushalt zwei Stoffmasken zukommen zu lassen. ZWEI. Nicht nur, dass gerade Stoffmasken von der WHO nicht als nützliche Maßnahme eingestuft werden, nein, zwei pro HAUSHALT, nicht Person. Wer alleine lebt, juhu. Wer Kinder hat, tja. Der Spott und auch der Ärger über diese „Maßnahme“ folgten zumindest auf Social Media prompt.

Eine andere Maßnahme, die ein wenig unter allen Radaren hindurchgeflogen zu sein scheint, ist die Abschottung Japans vom Ausland und allem Ausländischen. Gut, Reisebeschränkungen sind zu einem bestimmten Grad sinnvoll und auch andere Länder haben sie eingeführt, aber meist doch nur für Touristen. In Japan hingegen gilt ab heute eine Regelung, nach der ausländische Einwohner nicht wieder einreisen dürfen, wenn sie Japan verlassen**. Dass man hier lebt, arbeitet, SEINE STEUERN ZAHLT, ein gültiges Visum hat und vielleicht sogar ein permanentes Aufenthaltsrecht besitzt, spielt dabei keine Rolle. Angehörige der japanischen Staatsbürgerschaft können einreisen, Ausländer nicht. Ist man jetzt als Ausländer ansteckender oder was?

**Ausgenommen sind davon nur Inhaber eines besonderen permanenten Aufenthaltsrechtes (特別永住者) unter das nur Leute fallen, die Vorfahren haben, deren Länder mal unter japanischer Herrschaft standen, also Korea und Taiwain.

Das Ganze wäre ein schlechter Witz, wenn es nicht so dramatisch wäre. Ein permanentes Aufenthaltsrecht ist plötzlich genauso viel wert wie ein Touristenvisum, und falls man aus irgendeinem Grund das Land verlassen muss – Krankheits- oder Todesfall zum Beispiel -, muss man das nun in dem Wissen tun, vorerst nicht wieder einreisen zu dürfen. In der Familie im Ausland passiert also hoffentlich für eine Weile erst mal nichts, was einem zur Ausreise zwingen würde. Und das während Japaner unbeschränkt weiter ein- und ausreisen dürfen. Als ob es einen Unterschied machen würde. Und war für ein Zeichen das auch wieder setzt. Das Problem sind die anderen. Solange wir die Ausländer kontrollieren und einschränken, ist alles fein. Keine Ahnung, wie legal die ganze Sache ist, aber sie regt mich seit gestern so wahnsinnig aus. Na, in ein paar Tagen werden wir ja sehen, ob diese „Maßnahmen“ die Ausbreitung des Corona-Viruses einschränken wird, oder ob Japan sich langsam mal Gedanken machen muss, was man neben Rassismus und nutzlosen Masken sonst noch so auf die Bevölkerung loslassen kann.

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Corona in Japan

Langsam lässt es sich nicht mehr leugnen: Die Panik um den neuartigen Corona-Virus hat nun auch Japan erreicht. Dass Abe vorgestern entschied, alle Schulen von nächster Woche an bis Anfang April schließen zu lassen, hat sicher nicht geholfen.

2020-02-28 19.01.29Seit Wochen gibt es keine Masken mehr zu kaufen, Desinfektionsmittel verschwand als nächstes aus dem Regal, Seife, Taschentücher und jetzt auch noch Klopapier. Letzteres wurde dabei von einem Gerücht online ausgelöst, das behauptete, da Masken und Klopapier aus demselben Material bestehen, würde folglich Klopapier bald knapp werden. Stimmt natürlich nicht. Das hat aber die Leute nicht davon abgehalten massenhaft Klopapier zu horten. Gestern am frühen Vormittag fang man vielerorts schon nur noch leere Regale vor, und heute morgen schrieb auch Costco in seinem Email-Newsletter, dass man gewisse Produkte nicht mehr vorrätig hätte. Dass eine Falschmeldung eine solche Wirkung entfaltet, zeigt, wie nervös alle hier sind. Und da dachte ich vor 3 Wochen noch „Bescheuerter geht’s nicht!“, als ich mit einer Packung Masken, die ich zufällig im Supermarkt ergattert hatte, bei der Post anstand, um sie meiner Schwiegermutter zu schicken, die ohne Maske die Pollenzeit schlichtweg nicht überlebt. Aber nein, gesamt Shinjuku mit ein bis mehreren Packungen Kloapier unterm Arm heute Morgen war irgenwie auch ein … äh … besonderer Anblick. Aber was will man machen? Wer beim Hamsterkauf nicht mitmacht, muss dann nächste Woche nur anfangen, Klopapier auf Arbeit mitgehen zu lassen …

Die Regierung wirkt im Angesicht des sich weiter ausbreitenenden Viruses dezent kopflos. Ein ganzes Kreuzfahrtschiff hat man mit den Passagieren beladen in Yokohama vor Anker gehen lassen, quasi ein paar Wochen gewartet, bis sich alle gegenseitig angesteckt haben, die Passagiere DANN vom Schiff gelassen und auch noch vergessen, bei einem Dutzend davon den Test auf Corona-Virus durchzuführen. Da kann man sich nur noch die Hand an die Stirn schlagen.

Für Firmen gibt man derweil Empfehlungen für Home Office raus, aber es wird den Firmen selbst überlassen, ob sie sich daran halten. Bisher sagen sich 80% der Firmen noch „Home Office? Das können die anderen machen! WIR lassen unsere Mitarbeiter später anfangen, damit sie nicht in die Rushhour müssen!“ Ergebnis: neue Rushhour, jetzt halt nur eine Stunde später. Meine reguläre Bahn gestern Morgen war noch nie so voll und Keis noch nie so leer. Schulen hingegen werden ab nächste Woche komplett geschlossen und Eltern dürfen nun zusehen, wie sie Home Office bei ihrer Firma durchgedrückt kriegen, ihren ganzen Urlaub dafür aufbrauchen oder ihre 6jährigen den ganzen Tag alleine zu Hause lassen. Alle möglichen Events werden abgesagt, an den Olympischen Spielen will man hingegen festhalten. Gut, ich hoffe natürlich auch, dass wir SPÄTESTENS mit dem Einsetzen der Regenzeit diesen Virus durchstanden haben, aber wer weiß das schon.

In der Zwischenzeit haben Disneyland, USJ und das Ghibili-Museum ihre Türen geschlossen. Man erwartet wohl gerade für März eine Zuspitzung der Anzahl an Ansteckungen. Firmen wie Shiseido und Dentsu lassen ihre Mitarbeiter von zu Hause arbeiten. Auch bei mir auf Arbeit hat man nun in Home Office geschickt, wen man schicken konnte, aber durch den Mangel an Kapazitäten sind das nicht wirklich viele Leute. Der Rest wird dazu aufgefordert, die Rushhour zu vermeiden oder sich freizunehmen. Ich werde wohl letzteres machen. Und dabei Stoßgebete gen Himmel senden, dass ich in 2 Wochen trotzdem meine Eltern besuchen darf, die ich nun auch seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe.

Am Ende wird man erst im Nachhinein sagen können, ob all diese Maßnahmen übertrieben oder angebracht waren. Bis dahin heißt es in die Armbeuge husten und ordentlich Hände waschen – obwohl letzteres viellicht auch bald gar nicht mehr so einfach ist, wenn man keine Seife mehr kaufen kann O_o

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[Restaurant] Das Kirby-Café in Tōkyō

So, wo waren wir stehen geblieben? Umzug, richtig! Vor einem halben Jahr! Gut, ich habe einiges an Blogposts nachzuholen, also fangen wir an!

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IMG_1667Das Kirby Café in Tōkyō! Seit seiner Eröffnung wollte ich mit Kei hin, aber bis heute bleibt es besonders am Wochenende ein Kunststück, eine Reservierung zu bekommen. Immer am Monatsende um Schlag 18 Uhr werden die Slots für ZWEI MONATE später freigegeben und sind jedes Mal so schnell weg, dass ich irgendwann frustriert aufgab. Ja, auch die an Wochentagen zu seltsamen Uhrzeiten. Was beliebt in Tōkyō ist, bekommt man eben nicht ohne Kampf. Oder doch? Anstatt sich mit allen anderen um die neuen Slots zu prügeln, gibt es, wenn man etwas flexibel sein kann, einen einfacheren Weg: Regelmäßig auf der Seite nachgucken, ob jemand kurzfristig gecancelt hat, spontan sein und sich den Slot dann schnappen. So haben wir es zumindest gemacht und so ging es also im Mai – also sogar noch vor unserem Umzug, wenn ich mich recht erinnere – bei bestem Wetter nach Solamachi unter dem Sky Tree.

Mit seiner Reservierung – auf der komplett auch in Englisch verfügbaren Seite, will ich hier mal hinzufügen – bekommt man ein Zeitfenster zugeteilt, in dem man das Café betreten darf. Es ist so beliebt und mit den Reservierungen muss wohl einiges an Geld gemacht worden sein, so dass man bei Betreten nun einen Ausweis vorzeigen muss. Heiliger … Für ein Café!! Aber gut, einmal drin bekommt man seinen Tisch zugewiesen und kann anfangen zu bestellen. Die Inneneinrichtung ist nichts Spektakuläres – es sieht aus wie in einem normalen Café, nur an der Wand hängen Kirby-Bilder, hier und da waren ein paar Mini-Figuren aufgestellt und alles war vom Kirby-Soundtrack untermalt – den man natürlich später im Café-Shop auch erwerben kann 😉

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Aber eventuell wollte man ja nur nicht, dass wir vom Essen abgelenkt werden, und das war in der Tat ein Anblick. Wir waren zum Mittagessen da und gaben uns das volle Programm!

*Das Menü ändert sich regelmäßig und einige der Dinge, die ich hier zeige, gibt es nicht mehr, aber auf der Homepage gibt es immer ein aktuelles Menü des Cafés: klick*

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Kirby-Burger und Kirby-Hotdog

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Getränke. Latte Art ist überall inzwischen so krass detailliert 😮 Die Kaffeetasse gab es im Anschluss – natürlich sauber – zum Mitnehmen, aber die war bei 20 Euro für den Kaffee natürlich auch von Anfang im Preis mit angedacht 😉

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Nachtisch!! Absolut keine Ahnung mehr, was das genau war, aber ich erinnere mich, dass beides fantastisch schmeckte!

Generell war das Essen für ein Themenrestaurant ausgesprochen gut, bei den Preisen zahlt man aber definitiv für das niedliche Design drauf. Fast 100 Euro haben wir bezahlt, waren am Ende aber auch pappsatt, zufrieden, und um eine Tasse und einen Teller mit Kirby-Motiv reicher. Auf dem Weg zum Bezahlen wird man noch gekonnt durch den Kirby-Café-Shop geschleust, in dem man u.a. fast alles an Geschirr erwerben kann, von dem man eben noch gegessen hat – ja, auch den Hot-Dog einsaugenden Kirby! In Solamachi selbst gibt es auch noch mal einen Kirby-Shop für all die, die Shoppen wollen, ohne das Café besuchen zu müssen bzw. – in Anbetracht der immer ausgebuchten Seite – zu können.

Das Café war anfangs wohl als zeitlich begrenzt gedacht, hält sich aber durch die nicht abreißende Popularität seit Monaten und Monaten. Ich kann’s nachvollziehen – ich hatte sehr viel Spaß und man kann im Anschluss in Solamachi unglaublich schön shoppen gehen 😉

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Jahreswechsel in Japan

Ich lebe noch. Knapp, aber doch. Die Jahresendflaute kennt man hier auf dem Blog ja schon, 3.5 Monate sind dann aber doch eine längere Pause als ich sie sonst mache. Wir können es vollkommen und absolut auf die Arbeit schieben. Projekte der Größenordnung, mit der ich das gesamte letzte Jahr konfrontiert war, lassen sich ohne Opfer im Privatleben anscheinend nicht heben. Und obwohl ich auf Arbeit gerne mal 150% gebe, war das auch für mich zu viel und 2020 darf daher ganz im Sinne von nachzuholendem Urlaub und mehr als verdienter Erholung stehen. Ich musste selbst über Weihnachten und Neujahr arbeiten und konnte daher zum ersten Mal seit meinem Umzug nach Japan 2014 die Feiertage nicht mit meinen Eltern verbringen. Für Weihnachtsstimmung sorgte ich zu Hause dann mal schnell selbst:
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2019-12-22 18.15.12 Ich weiß ehrlich gesagt auch nich, wo ich die plötzliche Energie dafür her hatte XD Vermutlich eine Mischung aus Nostalgie und Heimweh, die mich schon immer überfallen hat, wenn ich Weihnachten in Japan verbracht habe.

Neujahr verbrachten wir seit dem Jahreswechsel 2011/2012 zum ersten Mal wieder mit Keis Eltern. Wir hievten uns sogar am 01.01. früh um 4 Uhr aus dem Bett, um gemeinsam mit der ganzen Familie den ersten Sonnaufgang des Jahres zu erleben, den uns das Wetter aber leider ordentlich vermieste XD Zum Glück bin ich nicht abergläubisch! 2020-01-01 07.04.49

Na ja, ein schöner Spaziergang war es trotzdem. Ansonsten stehen die Feiertage auch in Japan ganz im Zeichen des hemmungslosen Futterns und Faulenzens 😉

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Natsu faulenzt stellvertretend für alle

Am 02.01. absolvierten wir dann – bevor ich wieder zur Arbeit musste, juhu – unseren ersten Schreinbesuch des Jahres, was ansonsten für uns ja immer 2, 3 Wochen später als für alle anderen in Japan passiert – bis wir halt aus Deutschland zurück sind, der Jetlag halbwegs überstanden ist und wir ein wenig Zeit dafür gefunden haben. Gleich ganz kurz nach dem Jahrswechsel ist so ein Schreinbesuch dann aber doch noch mal was anderes.

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Sind abends auf dem Rückweg für ein wenig mehr Atmosphäre sogar extra noch mal am Schrein vorbeigelaufen 😉

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Wir wären sogar schon am 01.01. gegangen, aber die Masse an Menschen vor unserem Schrein war uns dann doch zu groß. Ich würde jetzt gerne sagen „Willkommen in Tokyo!“, aber leider sah das in Hiratsuka mit Wartezeiten von bis zu 2 Stunden nicht anders aus XD

Mein Januar steht leider noch im Zeichen des Monsterprojekts, auch wenn es sich langsam endlich eeetwas beruhigt hat und meine Tage aus 14-Stunden-Schicht + Wochenendarbeit endlich vorbei sind. Wie ich das überlebt hab? Keine Ahnung! Ich kann kaum glauben, dass es Berufe gibt, die einem diesen Einsatz fast immer abverlangen O_o

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Die Odakyū und ich – Ein Drama in drei Akten

Akt 1: Die Verblendung

Blog_17368199845_1dd07516ed_bIm Jahr 2007 kam ich als Austauschstudentin der überaus ländlich gelegenen Tōkai-Universität nach Japan. Der Bahnhof, der der Uni am nächsten war, war der so treffend benannte Tōkaidaigaku-mae-eki 東海大学前駅, der „Bahnhof vor der Tōkai-Universität“, bedient von der Odakyū-Linie, die Odawara mit Shinjuku verbindet. Er war mit fast 30 Minuten zu Fuß von unserem Wohnheim aus nicht gerade um die Ecke, und der Unterricht an der Tōkai hielt uns besonders im ersten Halbjahr so beschäftigt, dass wir uns nur selten in Richtung Tōkyō begaben. Wenn wir uns aber doch mal auf den langen Weg machten, zeigte sich die Odakyū uns eigentlich immer als verlässliches Transportmittel. Und da wir quasi am Arsch der Welt zustiegen, bekamen wie auch fast immer einen Sitzplatz für die über einstündige Fahrt nach Shinjuku. In meiner überaus begrenzten Erfahrung mit der Odakyū in diesem einem Jahr blieb sie mir daher positiv im Gedächtnis. Ganz im Gegensatz zur Tōkaidō-Linie 東海道線, die mich im Jahr 2011 ab und an zur Keiō-Uni, im Jahr 2013 jeden Tag zu meinem Praktikumsplatz und ab 2014 für einen Monat jeden Morgen zu meinem ersten festen Job brachte. Nicht nur dauerte die Fahrt von unserer Wohnung in Hiratsuka nach Shinjuku 2.5 Stunden, sondern es war auch ständig was auf der Tōkaidō. Wenn ich pro Fahrt mit nur 10 Minuten Verspätung davon kam, war ich schon froh. Da die Linie auf ihrer Fahrt mehrere Brücken überquert, hält sie oft schon bei stärkerem Wind, Regen, Schnee sowieso … Da sie sich ihre Gleise mit anderen Linien teilt, ist sie auch immer betroffen, wenn irgendwas auf einer der anderen Linie passiert. Und da Mietpreise in Kanagawa im Vergleich zu Tōkyō sehr viel günstiger sind, pendeln viele Leute auf der Tōkaidō-Linie bis nach Tōkyō rein – die Sitzplatzgarantie tendiert daher zu fast allen Zeiten gen Null. Mit Sehnsucht dachte ich oft an die Odakyū-Linie zurück, während meine Fahrt eingequetscht zwischen anderen genervten Pendlern mal wieder doppelt so lange dauern würde als sie sollte.

Akt 2: Das böse Erwachen

Blog_48439030377_c1c39f6b28_bIm Mai 2014 zogen wir von Hiratsuka nach Sagamiōno 相模大野. 5 Stunden Bahnfahrt am Tag – das macht man eben nicht lange mit und schon nach einem Monat hatte ich meine Grenze erreicht. Kei arbeitete damals noch in Hiratsuka und Sagamiōno lag quasi auf der Mitte. Während Kei sich nun also mit der Tōkaidō-Linie rumschlagen musste, stieg ich auf die Odakyū um. Und schnell fiel ich von meiner Traumwolke aus meiner Uni-Zeit: Viel nahmen sich die Odakyū- und die Tōkaidō-Linie nämlich leider nicht. Auch auf der Odakyū kam es in aller Regelmäßigkeit zu Verspätungen aus mannigfaltigen Gründen. In richtig schlimmen Wochen gab es eine Durchsage, wenn wir es mal PÜNKTLICH nach Shinjuku schafften. Auch in Sagamiōno sind die Mietpreise vergleichen mit Tōkyō noch sehr günstig, und da man es in 35 bis 45 nach Shinjuku schaffen kann also für Leute, die in Tōkyō arbeiten, ebenfalls überaus attraktiv. Erneut stand ich, trotz vom japanischen Standard ordentlich abweichenden Arbeitszeiten, eingequetscht zwischen anderen genervten Pendlern und kam bereits fix und fertig morgens auf Arbeit an. Ach ja, der Schleier der Nostalgie. Wenigstens brauchte ich von Tür zu Tür „nur“ noch 1.5 Stunden. Immer positiv bleiben!

Akt 3: Das Schlupfloch

Im September desselben Jahres schickte mich meine Firma auf die Tōkyō Game Show. Viel sah ich von ihr nicht, da ich gleich bei betreten des Gebäudes von hinten angerempelt wurde, die Treppe nach unten runterbretterte und mir den Fuß ziemlich heftig verletzte. Den Rest des Tages verbrachte ich auf der Krankenstation und dann damit irgendwie nach Hause zu kommen. Ich war noch nicht einmal ein halbes Jahr in meiner neuen Firma, hatte kaum Urlaubstage und war auch nur auf Vertrag angestellt – wer will sich da schon lange freinehmen, auch wenn man sich die Bänder überdehnt hatte und den Fuß eigentlich ruhigstellen sollte? Aber wie sollte ich jetzt stolperfrei zur Arbeit kommen? Die priority seats konnte ich vergessen – meine Verletzung sah man von außen nicht wirklich, und nicht mal Leute, die auf Krücken einsteigen, bekommen am Morgen dort einen Platz. Zu viele Salarymen, die zu tief auf den ihnen nicht zustehenden Sitzen eingenickt sind. Klar hätte ich da jeden Morgen einen von denen aufwecken und um den Sitzplatz bitten können, aber glaubt mir, davon hat man schnell die Schnauze voll. Meine Rettung kam in Form des so genannten romance cars ロマンスカー, einer Linie von Sonderzügen auf der Odakyū, die beliebte Ausflugsziele wie Hakone und Enoshima mit Shinjuku verbinden.

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Blog_48650742951_4183f7b418_bZusätzlich zum normalen Fahrtpreis bezahlt man von Sagamiōno aus 410 Yen (3,40 Euro) extra und bekommt einen Sitzplatz. Und so begann meine heiße Affäre mit dem romance car. Denn für nur 160 Euro mehr im Monat musste ich nun nicht mehr stehen, nicht mehr einquetscht zwischen anderen Pendlern schwitzen, nicht mehr vollkommen erschöpft auf Arbeit ankommen und schon am Morgen durch sein mit dem Tag und den Nerven – und reduzierte meine Fahrtzeit nach Shinjuku sogar auf 30 Minuten. Selbst Verspätungen machen einem weniger aus, wenn man gemütlich sitzt und in sein Buch vertieft ist. Für einige mögen diese 160 Euro auf diese Weise dekadent investiert sein, aber für mich habe ich mir damit – und das klingt so abgelutscht, aber trotzdem – Lebensqualität gekauft. Und nachdem mein Fuß verheilt war, ich für eine Weile wieder auf den normalen Zug umstieg, die Odakyū dann aber ihre Fahrpläne umstellte und meine Bahn am Morgen NOCH voller war als vorher schon, stieg ich einfach komplett auf das romance car um. Wir haben oft darüber nachgedacht, ob wir nicht näher nach Shinjuku ziehen sollten, aber dort sind die Mieten so teuer, dass uns das romance car am Ende billiger kam. Und so blieben wir vorerst in Sagaminōno und ich schloss nicht nur meinen Frieden mit der Odakyū, ich wurde ihr Fan XD

Epilog

Nach unserem Umzug im Juni nach Tōkyō rein wohnen wir nun nicht mehr auf der Odakyū-Linie. Nach seinem Jobwechsel wäre sonst nämlich Kei derjenige gewesen, der alleine jeden Morgen 2.5 Stunden von Tür zu Tür zu seiner neuen Firma gebraucht hätte. Eingequetscht in der Rush Hour. Ich erinnerte mich daran, wie sehr das damals vor 5 Jahren an mir gezerrt hat. Der einzige Nachteil am romance car ist nämlich, dass sie in der Rush Hour zwischen 7 und 9 Uhr nicht eingesetzt werden und Kei damit kein Schlupfloch boten. Und auch wenn er seine Arbeitszeit vielleicht irgendwie hätte verschieben und später hätte anfangen können: Auch wenn man vielleicht für 160 Euro oben drauf keine vergleichbare Wohnung in Tōkyō findet, mit 320 Euro sieht die Sache schon wieder ganz anders aus und damit stand fest, dass wir umziehen würden 😉 Wir wohnen nun auf der Tōbu Tōjō-Linie und sind in weniger als 15 Minuten in Ikebukuro und beide in jeweils einer halben Stunde auf Arbeit. Kei muss sich für genau zwei Stationen in einen vollgestopften Rush-Hour-Zug quetschen, erträgt es aber jeden Morgen und jeden Abend ohne Murren. Ich kann durch meine flexiblen Arbeitszeiten der Rush Hour komplett entgehen und meine anfängliche Sorge, ob ich jemals wieder Pendeln ohne romance car ertragen würden, waren unbegründet. Nicht, dass mir mein kleiner Luxus nicht doch manchmal fehlen würde, aber eine um 2/3 verkürzte Pendelzeit macht vieles wett 😉

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